Mittwoch, 10. Dezember 2014

Und was machst du den ganzen Tag so?

Wenn mich jemand fragt, was ich von Beruf bin, sage ich oft: "Lektorin." Das führt zur fast reflexartigen Gegenfrage: "Und für welchen Verlag?" Ich habe mir daraufhin angewöhnt, mich immer öfter als "Werbelektorin"  zu bezeichnen - und lebe jetzt mit der häufigen Gegenfrage: "Und was bedeutet das?"

Ein Lektor (hier bezogen auf die Verlagsebene) prüft und redigiert Manuskripte. Das erfordert natürlich viel mehr als eine gute Beherrschung der deutschen Sprache. Man muss Werke auch hinsichtlich ihrer Vermarktung beurteilen, schauen, ob sie ins Verlagsprogramm passen, mit dem Autor zusammen das Werk bearbeiten, die Autoren betreuen etc. DAS mache ich nicht. 

Meine Arbeit im Werbelektorat ist erst mal relativ schnöde: Ich sitze mit dem (virtuellen) Rotstift da und korrigiere Rechtschreibung, Zeichensetzung, Grammatik. Ich mache also kein Lektorat, sondern Korrektorat. Oder, wie ich es oft scherzhaft sage: Ich mache die Arbeit eines Lehrers, nur ohne Schüler.

Meistens bleibt es aber nicht bei Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik. Da kommen wir dann in den Bereich des stilistischen Lektorats. Klassische Stilfehler, um die ich mich tagtäglich kümmere: unvollständige Sätze (sehr beliebt im Werbebereich, aber eben nicht immer sinnvoll), missverständliche Bezüge durch falschen Satzbau (häufiger Fehler bei Übersetzungen aus dem Englischen oder wenn englische Satzkonstruktionen, die im Deutschen nun mal nicht funktionieren, übernommen werden), Häufung von Anglizismen, Nutzung falscher Fremdwörter (klassisches Beispiel: Expertise), Wortwiederholungen.

Eine weitere Stufe beinhaltet dann die inhaltliche Prüfung, die ich jedoch nur oberflächlich vornehme, da dies normalerweise nicht meine Aufgabe ist. Wenn mir aber Ungereimtheiten auffallen, falsche Jahreszahlen oder logische Fehler, dann merke ich diese natürlich an. Wenn also bspw. an einer Stelle des Textes von 20 Auszubildenden die Rede ist und drei Seiten weiter von 25, dann weise ich darauf hin. Ich recherchiere aber nicht, wie viele es tatsächlich sind - das weiß der Kunde ohnehin besser als ich. 

Außerdem biete ich auch - in einem gewissen Rahmen, abhängig von der Textsorte - englisches Korrektorat an.Gelegentlich mache ich auch ein Übersetzungslektorat für Englisch - also ein Korrektorat der deutschen oder englischen Übersetzung anhand des Originaltextes. Natürlich weise ich auch auf typografische Dinge hin, die mir auffallen (eine typografische Ausbildung habe ich aber nicht): falsche Schriftart oder -größe, Laufweite, Ligaturen, falsche Einzüge etc.

Oftmals werde ich gebeten, ein reines Korrektorat zu machen - eine Sache, die mir zugegebenermaßen schwerfällt, wenn der Text stilistisch zwischen unschön und katastrophal schwankt oder inhaltliche Schwächen hat. Man muss als Werbelektor also manchmal schmerzfrei sein und Dinge durchwinken, die einem gegen den Strich gehen.

Das alles mache ich für Anzeigen, Beileger, Datenblätter, Flyer, Geschäftsberichte, Imagebroschüren, Kundenanschreiben, Magazine (Kunden- und Mitarbeiterzeitschriften), Newsletter, Plakate, Vertragsentwürfe, Webseiten etc.

Und warum Werbung? Es ist einfach abwechslungsreich. Ich korrigiere Werbematerialien für die Automobilindustrie, prüfe Magazine für Lebensmittelhersteller und Zahntechniker, lese die Patientenbroschüren von Pharmaherstellern und die Imagebroschüren von Fertighausherstellern. Ich lerne dadurch viel - nicht nur im Hinblick auf meine Arbeit. Werbelektorat ist oftmals Stress pur und ich fluche immer wieder über kurzfristige Aufträge, knappe Lieferzeiten und arbeitsintensive Texte - aber ich liebe diesen Job!