Montag, 12. Mai 2014

Tiger, Bären und andere Raubtiere

Letztens haben wir halbwilde Tiere gesehen. Ganz nah. Nur durch ein Trampolin-Schutznetz von uns getrennt. Gut, die meisten Leute würden sagen, dass es sich dabei lediglich um ein paar bewegungsfreudige Jungs zwischen neun und zwölf Jahren und eine unerschrockene Achtjährige gehandelt hat. Aber was die da veranstaltet haben ... Wir gehören sicherlich nicht zu den ängstlichsten Eltern dieses Planeten, aber irgendwie auch nicht zu den coolsten, weshalb wir unseren Zweijährigen trotz Protest immer wieder vom Trampolin geholt haben, wenn es uns zu heftig wurde.

Da wurde wild gesprungen, geboxt, mit Bällen aus nächster Nähe geworfen und geschossen. Immer wieder lag einer unten, auf den sich die anderen dann gestürzt haben, als gelte es, einen Gangster festzusetzen. Wenn es einem zu heftig wurde und er "Stopp" gerufen hat, wurde das teilweise ganz einfach ignoriert. Es gab selten Tränen - eher im Gegenteil, je mehr einer einstecken musste, desto mehr hat er anschließend ausgeteilt. Es war schon irgendwie erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit geschubst und gerangelt wurde.

Zwischendurch waren sie alle die reinsten Lämmer, haben ganz lieb die Kleinen in ihre Mitte genommen und sind ganz vorsichtig im Sitzen oder Knien mit ihnen gehopst. Kaum waren die Kleinen weg, kamen die kleinen Raubtiere zurück. Wir haben uns gefragt, wie weit das normal ist. Ist das unser biologisches Erbe? Sind wir nichts anderes als kleine Tiger, junge Bären, die sich raufen und balgen und so lernen? Wo endet wildes Spiel, wo fängt Aggression an? Und ist das eine Sache, mit der vor allem wir uns als Eltern eines Jungen auseinandersetzen müssen?

Ich finde diese Gratwanderung schwierig: Der Kleine soll lernen, sich durchzusetzen, aber er soll das nicht auf aggressive Art und Weise tun. Er soll in der Lage sein, sich in einer solchen wilden Gruppe zu bewegen, ohne das "Opfer" zu werden. Er soll selbstbewusst sein und dabei immer Rücksicht auf andere nehmen, akzeptieren, wenn jemand "Stopp" sagt.

Ich war selbst oft Opfer, weil ich mich nie richtig durchsetzen konnte. Ich wurde oft gehänselt, nicht ernst genommen, weggeschubst. Ich reagiere heute noch sehr empfindlich auf Kritik und schwierige Situationen. Und ich neige zu Jähzorn - keine gute Kombination, kein gutes Vorbild. Ist es zu spät, selbst noch etwas zu lernen, das ich dann weitergeben kann? Kann ich ihm glaubwürdig und nachhaltig vermitteln, worauf es ankommt?