Freitag, 10. Januar 2014

Trotzköpfchen

Gestern hatten wir ihn - den ersten lautstarken Trotzanfall im Supermarkt. Die Trotzanfälle zu Hause häufen sich derzeit ja schon alleine altersbedingt (es ist nur eine Phase, es ist nur eine Phase, es ist nur eine Phase ...), aber Einkaufen war bislang zu spannend gewesen, um es sich durch Schreierei, Tränchen und Uneinsichtigkeit zu verderben. Bis gestern.

Es fing ganz harmlos damit an, dass Monsieur le Trotz auf eigenen Beinen durch den Supermarkt laufen wollte. Das hat auch gut funktioniert, die Ausflüge in unbekannte Gänge waren auf ein Mindestmaß beschränkt, die Waren blieben im Regal. Dann der entscheidende Fehler: Ich wollte auf die Rolltreppe. Und dafür sollte der junge Mann wieder in den Wagen. Erste Schreiattacke. Auf dem Arm war er leidlich friedlich, also durfte er da bleiben, während ich mit einer Hand den schon recht gut bepackten Einkaufswagen auf die Rolltreppe bugsierte, wo er theoretisch hätte einrasten und stehen bleiben sollen. Tat er aber nicht - und der Kleine fing an zu zappeln. Zappelndes Kind auf dem einen Arm, widerspenstiger Einkaufswagen am anderen Arm - mein Rücken war begeistert.

Als wir dann doch unfallfrei unten angekommen waren, habe ich den Kleinen irgendwie dann doch wieder in den Wagen gesetzt. Ab da ohrenbetäubender Lärm: Das Kind hat sich die Seele aus dem Leib geschrien, sich in seinem Sitz hin- und hergeworfen, dicke Tränchen geweint. Die Ansprechbarkeit sank auf null - und ich war zum ersten Mal diesen Blicken ausgesetzt, von denen ich bislang nur gehört hatte. Es war alles dabei - vom verständnisvollen, aufmunternden "Lassen Sie sich nicht unterkriegen"-Blick bis hin zum genervten "Haben Sie Ihren verwöhnten Balg nicht im Griff oder was ist hier los?"-Blick. Erstaunlicherweise wirkten vor allem (ältere) Frauen unheimlich genervt, während einige Männer versuchten, mit dem Kleinen Kontakt aufzunehmen, um ihn abzulenken.

Die Einzige, die es geschafft hat, Monsieur le Trotz für ein paar Minuten zum Schweigen zu bringen war - wie sollte es anders sein - die Fleischereifachverkäuferin mit der Bestechungswurst, die ich noch dankbarer als sonst entgegengenommen habe. Das hat uns immerhin durch die Obst- und Gemüseabteilung gebracht, sodass die anschließend fortgesetzte Schreierei sich auf TK-Kost und Kassenbereich beschränkte - wir also dann relativ schnell draußen waren. An der frischen Luft war der junge Mann schlagartig wieder das liebste Kind der Welt, reichte mir Sachen aus dem Einkaufswagen zum Einpacken und ließ sich ohne Probleme anschnallen. Kein Trotz, keine Tränchen - stattdessen fröhliche Plapperei auf der Rückfahrt und zwischendurch ein gezwitschertes "Mama".

Zu Hause angekommen war ich zwar ziemlich genervt, aber ich muss sagen, dass ich auch ein wenig stolz auf mich war. Normalerweise flippe ich sehr schnell aus, rege mich auf und werde laut. Und ich lass mich unheimlich schnell von anderen irritieren und in die Defensive treiben. Diese Trotzattacke in der Öffentlichkeit habe ich aber meiner Meinung nach echt gut gemeistert. Ich bin gegenüber Monsieur le Trotz total entspannt geblieben, habe ruhig mit ihm geredet, habe ihn toben lassen, als ich gemerkt habe, dass ich mit Worten nicht zu ihm durchringe, habe ihm gezeigt, dass ich da bin, ohne mich ihm aufzudrängen. Und ich habe die missbilligenden Blicke der Menschen um mich herum nicht persönlich genommen, habe sie an mir abperlen lassen, habe mich nicht darüber aufgeregt, mich nicht gerechtfertigt oder gar fluchtartig den Supermarkt verlassen, um den Einkauf zu einem späteren Zeitpunkt ohne Monsieur fortzusetzen. Es war nicht schön und ich glaube auch, dass viele Leute genervt waren - ich war es ja schließlich auch. Und das tut mir auch leid - wenn ich es hätte ändern können, hätte ich das liebend gerne getan. Aber ich habe es immerhin geschafft, mich davon nicht aus der Bahn werfen zu lassen. Wieder was über mich gelernt: Wenn's wirklich wichtig ist, kann ich ruhig bleiben. Guter Vorsatz: Dieses Wissen sollte ich mir auch für die unwichtigen Aufreger bewahren.

In diesem Sinne: Bleibt ruhig!

Nachtrag: Hier noch ein schöner Artikel zum Thema - danke, Doro!
http://www.huffingtonpost.com/matt-walsh/dear-parents-you-need-to-control-your-kids_b_3935418.html