Freitag, 29. Juni 2012

Fremdbestimmt

Mit einem Kind wird alles anders. Binsenweisheit. Wie viel anders wird, lässt sich vorher nur schwer ermessen - zumindest für mich klaffen Wissen und Realität ganz stark auseinander.

Natürlich war mir theoretisch klar, dass mein Leben von nun an von einem kleinen Wesen fremdbestimmt wird, von seinem Hunger, seinen Wach- und Schlafphasen, seinen Bauchschmerzen, seinen vollen Windeln. Aber wie sehr mich das dann tatsächlich in der Praxis, im täglichen Leben belastet, hätte ich nicht geahnt. Ich fühle mich oft so unzulänglich, habe Angst, so viel falsch zu machen und dem Kleinen zu schaden. Das Ganze ist gepaart mit Hilflosigkeit, mit Selbstzweifeln, wenn das Würmchen scheinbar grundlos weint und sich nicht trösten lässt: Bin ich gut genug für das Kind?

Gleichzeitig wird man reduziert auf Dinge, die auf den ersten Blick banal erscheinen - füttern, Windeln wechseln, Wäsche waschen, aufräumen etc. Dass auch dies alles eine Leistung ist, habe ich noch lange nicht verinnerlicht. Und damit komme ich mir so ersetzbar vor, so unwichtig.

Auf der anderen Seite steht das schlechte Gewissen: Warum jammerst du? Du hast ein tolles Kind, das wirklich nicht oft schreit, gut trinkt, ein paar Stunden am Stück schläft und sich großartig entwickelt. Du hast einen tollen Mann, der sich um dich und den Kleinen kümmert. Du warst nach dem Kaiserschnitt schnell wieder fit, ohne Komplikationen. Die Elterngeldstelle hat deinen Antrag innerhalb von fünf Tagen bearbeitet, die erste Überweisung ist schon da. Kein Grund zum Jammern!

Und zuletzt noch der gefühlte Rechtfertigungsdruck. Das ist ein sehr individuelles Problem - das Gefühl, ständig eine Handlung rechtfertigen, entschuldigen, erklären zu müssen. Das hatte ich vorher schon oft und es ist nicht besser geworden - vor allem nicht angesichts der vielen guten und gut gemeinten Ratschläge, die man tagtäglich zu hören bekommt. Da schwindet manchmal leider das Vertrauen in die eigenen Kräfte, das eigene Wissen und das eigene Bauchgefühl.

Das alles läuft wohl unter dem Schlagwort "Babyblues" und ist also irgendwie ganz normal. Fühlt sich aber nicht so an - und wenn man zu der Sorte Mensch gehört, die gerne alles bis zu einem gewissen Punkt kontrollieren will, kann einen das schon ganz schön aus der Bahn werfen. Den Weg zurück in die Bahn zu finden, ist leider nicht so einfach und manchmal fehlt einem der Blick dafür, wo die Bahn nun eigentlich verläuft. Das nimmt einen noch mehr mit und die Selbstzweifel steigen weiter.

Eine Sache ist aber sicher und über jeden Zweifel erhaben: Ich liebe unser kleines Würmchen über alles und ich würde die Entscheidung für den Kleinen nie, nie, nie rückgängig machen wollen. Er ist Glück pur.

Freitag, 22. Juni 2012

Die Zeit rast ...

Zwei Wochen ist unser Würmchen jetzt alt. Zwei Wochen, die einem schon wie eine kleine Ewigkeit vorkommen. War er irgendwann mal nicht da? Kaum zu glauben ...

Inzwischen haben wir schon recht viel ausprobiert und erlebt. Wir waren im Restaurant und bei Mamas Massage. Wir haben neben der Familie erste Freunde eingeladen und sind spazieren gegangen. Wir haben (nächtliches) Bauchweh mit den dazugehörigen Schreiattacken gemeistert und das erste Mal gebadet. Wir waren bei Papas Kollegen und haben Elterngeld beantragt.

A propos Elterngeld: Meine erste Erfahrung mit der städtischen Elterngeldstelle vor der Geburt war eher negativ, da die Sachbearbeiterin so unfreundlich war (zumindest an dem Tag ...). Die Kollegin, die gestern unseren Antrag entgegengenommen hat, hat das aber wieder wettgemacht - freundlich, unkompliziert und hilfsbereit. Jetzt hoffe ich mal, dass die Bewilligung genauso unkompliziert über die Bühne geht - das Gefühl, keine eigenen Einkünfte zu haben, ist doch reichlich gewöhnungsbedürftig, und außerdem sind da noch laufende Kosten für Versicherung, Altersvorsorge etc. Bin mal gespannt, wie lange es dauert, bis der Bescheid kommt.

Außerdem habe ich einen neuen Respekt vor alleinerziehenden Müttern gewonnen. Bewundernswert fand ich sie schon vorher - aber jetzt noch mehr. Wie froh bin ich, dass ich im Moment, solange mein Schatz noch Urlaub hat, den Kleinen mit gutem Gewissen an den Papa geben kann, wenn er schreit oder wenn ich duschen oder schlafen will! Ab übernächster Woche müssen wir tagsüber alleine klarkommen - bin mal gespannt, wie gut wir das hinkriegen!

So, das Baby hat Hunger - und das geht jetzt vor! Der nächste Blogeintrag folgt bestimmt ...

Freitag, 15. Juni 2012

Eine Woche Wunder

Heute ist Freitag, der 15. Juni, 9 Uhr. Vor genau einer Woche lag ich um diese Zeit im Kreißsaal, hielt die Hand von meinem Schatz und wartete darauf, dass es mit den Wehen vorangeht, der Kleine sein Köpfchen endgültig ins Becken senkt und schlüpft. Große Enttäuschung, als es nicht mehr voranging. Heulendes Elend, als ein Kaiserschnitt angesetzt werden musste. Dieses unwirkliche Szenario im OP - zum Glück war ich nicht alleine, mein Schatz bei mir. Und dann der erste Schrei - unser Würmchen war da. Einfach so. Und im selben Moment bekam das Leben einen anderen Rhythmus.

Das ist jetzt eine Woche und eine gefühlte Ewigkeit her. Ich könnte viel von dieser Woche erzählen, von den vielen kleinen und großen Momenten, ersten Malen, ersten Erlebnissen. Das wäre hier zu viel des Guten. Und auch die ganzen Gefühle, die durch meinen Körper rauschen, sind nicht in ein paar Worten zu beschreiben. Aber ein Gefühl lässt sich klar und deutlich benennen: Glück. Den Kleinen zu sehen, ihn zu spüren, zu hören, an der Brust zu haben - das ist Glück pur. Darüber vergisst man den Klinikfrust, die Schmerzen, die Müdigkeit.

Kleiner Schatz, wir sind so glücklich! Wir werden auf dich aufpassen, für dich da sein, dich lieben, egal, was passiert! Wir werden Angst um dich haben, uns sorgen und manchmal hilflos angesichts deiner Probleme sein. Und wir werden stolz auf dich sein, dich unterstützen, dir zuhören und zureden, wann immer du uns brauchst. Du bist unser kleines Wunder!

Donnerstag, 7. Juni 2012

Klinikfrust

Seit gestern sind wir in der Klinik und warten darauf, dass was passiert. Es passiert nichts. Ich nehme brav die vorgeschriebenen Medikamente zur Einleitung, gehe in regelmäßigen Abständen zum CTG und in regelmäßigen Abständen frustriert wieder raus. Dem Kleinen geht's immerhin gut - anscheinend zu gut, so häuslich eingerichtet in meinem Bauch. Überall um mich herum ertönt Babygeschrei - auch nachts. Habe daher kaum geschlafen. Es wäre schöner, wenn es unser Würmchen wäre, das mich wach hielte. Stattdessen fremde Babys, wirre Träume, ein Zugang in der Armvene, der massiv stört, wenn man nicht aufpasst, und steigende schlechte Laune. Keine wirkliche Vorfreude im Moment. Ohne meinen Schatz, der tapfer meine Launen erträgt, mich tröstet und ablenkt, würde ich wahrscheinlich die Wände hochgehen. Geduld war noch nie meine Stärke. Immerhin: Dss Frühstück ist reichhaltig, das sonstige Essen ok, allerdings nicht viel. Habe momentan den Luxus eines Einbettzimmers mit integrierter Dusche - mal schauen, wie lange noch. Die Schwestern und Hebammen schwanken zwischen herb und herzlich, aber allesamt ok. Die Einleitungsversuche laufen noch bis morgen Abend. Falls sich bis dahin nichts tut ... Ich darf nicht darüber nachdenken, das macht den Frust nur noch größer. Ich gehe jetzt erst mal wieder zum CTG.

Dienstag, 5. Juni 2012

Danke!

Danke, ihr Lieben, an euch alle, die ihr mir in den letzten Tagen so viel aufmunternde Worte habt zukommen lassen! Morgen um diese Zeit bin ich im Krankenhaus und wenn der Kleine nun mal einen Anstupser braucht, dann ist das so - das kleine Wesen geht vor!

Freitag, 1. Juni 2012

Warten auf Godot

Gut, im Gegensatz zu Godot wird das Würmchen kommen - fragt sich nur, wann. Und vor allem, wie. Über uns schwebt das drohende Schwert der Einleitung. Klar, alles nicht schlimm, wird heute doch häufig gemacht etc. - aber ein natürlicher Start des Ganzen wäre mir lieber. Die Vorstellung, ein starkes Medikament zu nehmen - womöglich mehrmals am Tag - und dann warten zu müssen, dass was passiert - und zwar in der Klinik und nicht zu Hause ... Hier kann ich mich wenigstens frei bewegen und machen, was ich will - und sei es Hausarbeit (freiwillig, man stelle sich das vor!).

Inzwischen habe ich natürlich auch schon ganz viele Tipps erhalten, um den Kleinen zum Schlüpfen zu bewegen - von warmen Bädern über Himbeerblättertee bis hin zum Treppensteigen. Und genau so viele Gegenargumente, warum genau diese Methode falsch ist oder nichts bringt. Egal - so lange es angenehm ist, wird's gemacht. Und daher gab's gestern trotz Regen einen langen Spaziergang, gerade schon die erste Tasse Himbeerblättertee für heute, am Wochenende ein schönes warmes Bad und am Montag einen letzten Akupunkturtermin.

Ich weiß auch nicht, warum mir die drohende Einleitung so viele Probleme bereitet. Ich habe irgendwie das Gefühl, als würde dann was fehlen, eine Erfahrung, die zur Geburt mit dazu gehört - das Gefühl, dass das Kind jetzt kommen will, ganz von selbst, um ein Teil unseres Lebens zu sein. Der Gedanke, unseren Kleinen anzustupsen, sozusagen zu "zwingen", jetzt auf die Welt zu kommen, behagt mir nicht.

Noch haben wir ein paar Tage Schonfrist. Vielleicht geht's ja doch noch schneller als gedacht. Ich denke, ich bin bereit. Oder vielleicht doch nicht? Will er vielleicht deshalb nicht schlüpfen? Nein, ich denke, das ist es nicht. Wir sind bereit und gespannt und neugierig und aufgeregt. Wie auch immer: In spätestens einer Woche sind wir zu dritt, ganz sicher!